Die Ankündigung von US-Präsident Trump, Zölle auf alle Importe in die USA einzuführen, sorgte an den Märkten für Aufsehen und Unruhe. Doch was bedeuten die Zölle in der Praxis ganz konkret für laufende Handels- und Lieferbeziehungen zwischen Unternehmen in Europa und solchen in den USA? Wer hat die mit Zöllen einhergehenden Mehrbelastungen zu tragen? Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, aufgrund dieser Entwicklungen eine Anpassung von Preisen zu verlangen und wie können derartige Szenarien bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden? All diesen Fragestellungen widmet sich dieser Leitfaden.
I. Wer trägt die Strafzölle in Lieferbeziehungen?
Entscheidend für die Frage, wer etwaige Zölle zu tragen hat sind die vereinbarten Lieferbedingungen:
1) Geltung von Incoterms® vereinbart?
Optimalerweise sind in internationalen Lieferverträge Incoterms® vereinbart. Denn diese regeln eindeutig, ob der Lieferant oder der Abnehmer Zölle tragen muss.
Ist zwischen den Parteien bspw. „DDP“ („Delivered Duty Paid“) vereinbart, bedeutet dies, dass der Lieferant dem Abnehmer die Ware verzollt und entladebereit am vereinbarten Bestimmungsort zur Verfügung stellen muss, er also eine Bringschuld hat. Der Lieferant hat sämtliche Kosten bis zur Ablieferung der Ware an dem vereinbarten Bestimmungsort zu tragen. Erfasst von dieser Kostentragungspflicht sind auch etwaige Zölle. Bei FOB („Free on Board“) ist der Lieferant hingegen lediglich verpflichtet, die Ware an Bord des vom Abnehmer benannten Beförderungsmittels am Versendungsort zu bringen. Der Gefahrübergang erfolgt mit der Aufladung. Von da an trägt der Abnehmer nicht nur das Risiko für die Verschlechterung oder den Verlust der jeweiligen Waren, sondern auch alle Kosten einschließlich etwaiger Zölle.
2) Was gilt, wenn vertraglich nichts geregelt ist?
Wurden Incoterms® nicht in den Vertrag einbezogen oder keine Auswahl bezüglich ihrer Bestimmungen getroffen, und enthält der Vertrag keine Regelungen zur Tragung von Zöllen, ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln wer die Zölle zu tragen hat.
Für Kaufverträge enthält § 448 Abs. 1 BGB eine Zweifelsfallreglung. Danach trägt der Verkäufer alle Kosten der Übergabe der Kaufsache; der Käufer trägt spiegelbildlich die Kosten der Abnahme und die der Versendung der Kaufsache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort. Die Lieferung der Kaufsache an einen anderen Ort als den Erfüllungsort spielt insbesondere beim Versendungskauf gem. § 447 BGB eine Rolle, da der Käufer sämtliche Transportkosten zu tragen hat, die nach Übergabe der Ware an die Transportperson entstehen. Zölle und ähnliche Abgaben dürften dabei den Kosten der Versendung unterfallen, also vom Käufer zu tragen sein. Der Bundesgerichtshof hat dies zwar bislang offengelassen; in der juristischen Literatur wird die Zugehörigkeit von Zöllen zu den Kosten der Versendung im Sinne des § 448 Abs. 1 BGB jedoch bejaht.
II. Recht auf Preisanpassung aus Gesetz
1. Leistungsverweigerungsrecht wegen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 2 BGB)
Ein Schuldner kann die Leistung nach § 275 Abs. 2 BGB verweigern, soweit deren Naturalerfüllung einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Vertragsinhalts und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse der anderen Partei steht. Erforderlich ist eine grobe Unverhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit ist das Verhältnis zwischen dem für die Leistungserbringung erforderlichen Aufwand des Schuldners zu dem Wert der Gegenleistung gleichsam unerheblich. Entsprechend greift bei Zöllen in aller Regel der Einwand der Unmöglichkeit nicht. Derartige Missverhältnisse sind in der Regel nur über den Wegfall der Geschäftsgrundlage aus § 313 BGB (dazu sogleich) zu behandeln.
2. Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)
Nach § 313 BGB kann eine Vertragspartei Anspruch auf Anpassung des Vertrages haben, wenn (i) sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und (ii) soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Problematisch bei den aktuellen Zöllen dürfte jedoch sein, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage für einen Anpassungsanspruch aus § 313 BGB unvorhersehbar gewesen sein muss. Die Vorhersehbarkeit von US-Strafzöllen hängt vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump im Wege von Exekutivanordnungen Zölle verhängt und mit weiteren Zöllen gedroht. Vor diesem Hintergrund könnte argumentiert werden, dass vorhersehbar sei, dass Zölle ein Kernbestandteil der Handelspolitik im Falle einer weiteren Amtszeit von Donald Trump sein würden. Unmittelbar nachdem er die US-Präsidentschaftswahlen 2020 gegen Joe Biden knapp verloren hat, kündigte Donald Trump zudem bereits an, bei den Wahlen 2025 erneut zu kandidieren. Vor diesem Hintergrund und angesichts des knappen Wahlausgangs 2020 war es jedenfalls nicht ganz fernliegend, von einer Rückkehr Donald Trumps und seiner Politik in das Weiße Haus auszugehen.
Ferner verlangt § 313 BGB für das Bestehen eines Anpassungsanspruchs, dass der anspruchsstellenden Partei das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. Die Unzumutbarkeit bestimmt sich nach der gesetzlich vorausgesetzten Risikozuweisung ebenso wie nach der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Die Annahme der Unzumutbarkeit scheidet im Grundsatz aus, wenn die Parteien für ein bestimmtes Risiko eine Lastenverteilung im Vertrag vereinbart haben. Letzteres ist üblicherweise der Fall, wenn Festpreise oder spezielle Lieferbedingungen vereinbart sind. Nur in Extremfällen, in denen die „unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt“ (vgl. BGH NJW 2020, 331) lässt die Rechtsprechung Ausnahmen hiervon zu.
Liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB vor, ergibt sich in der Rechtsfolge primär ein Anspruch auf eine inhaltliche Anpassung des Vertrags. Nur wenn eine Anpassung nicht möglich oder dem anderen Vertragspartner nicht zumutbar ist, gibt § 313 BGB das Recht, vom Vertrag zurückzutreten bzw. den Vertrag durch Kündigung zu beenden.
III. Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten
1. Hardship-Klauseln
Eine Möglichkeit, sich vor ungewollten Folgen bei Änderungen von Zöllen in Lieferbeziehungen zu schützen, sind sog. Hardship-Klauseln. Als Hardship-Klauseln werden solche Bestimmungen verstanden, die eine Abweichung von der inhaltlichen oder zeitlichen Bindungswirkung eines Vertrages bei Eintritt eines Härtefalls regeln. Problematisch bei derartigen Klauseln ist, dass die Definition des Härtefalls als das klauselauslösende Element oft nicht hinreichend bestimmt ist. Bei der Formulierung der Klausel befindet sich deren Verwender in einem Spannungsfeld: Wird die Klausel bewusst weit gefasst, erfasst sie zwar viele denklogische Möglichkeiten von Härtefällen. Andererseits aber leistet eine weite Formulierung auch Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung der Klausel in einem konkreten Einzelfall Vorschub, zumal gerade die weitreichenden Folgen derartiger Klauseln und deren Ausnahmecharakter eine enge Auslegung gebieten. Wird die Klausel hingegen zu eng formuliert, läuft der Verwender Gefahr, dass die Norm bestimmte, faktische Härtefälle gar nicht erfasst. Nicht jeder Kostenanstieg auf Seiten des Leistungsschuldners vermag einen Härtefall zu begründen. Starre Grenzen dafür, wann ein Härtefall einschlägig ist, existieren nicht. Als Rechtsfolgen eines Härtefalls kommen entweder eine Anpassung des Vertragsinhalts oder eine Möglichkeit zur Lösung vom Vertrag in Betracht, wobei diese Optionen auch in einem Stufenverhältnis – ähnlich wie bei § 313 BGB – miteinander verbunden werden können.
2. Force Majeure-Klauseln
Force-Majeure-Klauseln sind Vertragsbestimmungen, die unvorhersehbare und unvermeidbare Ereignisse regeln, welche die Erfüllung eines Vertrages erheblich beeinträchtigen oder unmöglich machen. Solche Ereignisse können Naturkatastrophen, Kriege, Terroranschläge oder staatliche Maßnahmen wie Embargos sein. Ziel dieser Klauseln ist es, Vertragspartner vor Haftung zu schützen, wenn sie aufgrund solcher außergewöhnlichen Umstände ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen können. Im Kontext der US-Zölle könnten Force-Majeure-Klauseln eine Rolle spielen, wenn beispielsweise durch plötzliche politische Entscheidungen wie Handelskriege oder drastische Änderungen von Zolltarifen die wirtschaftliche Grundlage eines internationalen Handelsvertrags stark beeinträchtigt wird. Ein Vertragspartner könnte sich auf eine Force-Majeure-Klausel berufen, um seine Verpflichtungen unter diesen besonderen Bedingungen zu modifizieren oder auszusetzen. Dies würde verhindern, dass er für Nichterfüllung haftbar gemacht wird und möglicherweise Schadensersatz zahlen muss.
3. Preisanpassungsklauseln
Die Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln kann sich nicht nur nach AGB-Recht, sondern auch nach dem Preisklauselgesetz (PrKlG) richten. Zweck dieses Gesetzes ist die Sicherung der Geldwertstabilität, der Werterhalt der Vergütung für den Geldgläubiger sowie der Verbraucherschutz. Inhaltlich verbietet das PrKlG zunächst die automatische Anpassung des Preises in Abhängigkeit von Preis nicht vergleichbarer Güter und Dienstleistungen, also sachfremde Indexierungen. Daneben enthält § 2 Abs. 2, 3 PrKlG für Klauseln in langfristigen Verträgen sowie für Verbraucherkreditverträge eine Generalklausel, nach der die vertraglichen Regelungen hinreichend bestimmt sein müssen (Transparenz) und den Betroffenen nicht in unangemessenem Maße benachteiligen dürfen (Fairness). Unangemessene Benachteiligungen liegen insbesondere dann vor, wenn die Preise nur bei Kostensteigerungen angehoben, nicht aber bei Kostensenkungen auch reduziert werden, wenn nur eine Partei die Preisanpassung verlangen kann oder die Anpassung nicht proportional zu der Kostenentwicklung ist.
Gängig sind in der Praxis vor allem drei Arten von Preisanpassungsklauseln, nämlich Preisvorbehaltsklauseln, Kostenelemente- bzw. Indexklauseln und Spannungsklauseln: Preisvorbehaltsklauseln sind solche Klauseln., die dem Verwender hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages eines Ermessensspielraum einräumen. Der Verwender kann also die Preise nach seinem Ermessen erhöhen oder reduzieren. Die Ermessensausübung muss sich dabei aber in den Grenzen der Billigkeit halten, d.h. der Verwender muss etwaige Preisänderungen auf sachliche Gründe stützen können. Kostenelementeklauseln ermöglichen es dem Verwender, den geschuldeten Betrag proportional an die Entwicklung bestimmter Kostenelemente, etwa die der Material- oder Lohnkosten, anzupassen. Alternativ kann für die Preisanpassung auch ein Kostenindex herangezogen werden, beispielsweise der Verbraucherpreisindex. Spannungsklauseln ähneln den Kostenelementeklauseln, allerdings knüpfen sie nicht direkt an das „Vorprodukt“ (z.B. Material für die Herstellung eines Produkts) als Kostenelement, sondern an die Preisentwicklung eines anderen, aber vergleichbaren Produkts. So kann sich der Preis des Erdgases etwa nach der Entwicklung des Preises für extra leichtes Heizöl richten.
IV. Fazit
Unternehmen müssen ihre Lieferverträge angesichts der Möglichkeit von Strafzöllen sorgfältig prüfen und entsprechend anpassen. Insbesondere gilt es, klare vertragliche Regelungen zur Verteilung von Zöllen und anderen Kosten zu treffen, um spätere rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden. Bei bestehenden Verträgen sollten gegebenenfalls Nachverhandlungen geführt werden, um die Haftung für zukünftige Strafzölle eindeutig zuzuordnen. Beim Abschluss neuer Verträge ist es essenziell, Mechanismen zu integrieren, die eine rechtssichere Anpassung an sich ändernde Zollsätze und Handelsbedingungen ermöglichen. Nur durch präventive vertragliche Maßnahmen können Unternehmen ihre rechtlichen Risiken effektiv minimieren und sich gegen potenzielle Mehrkosten absichern.
Co-Autor: Tim Löbeth