Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz hat Deutschland das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Die Technologien der Kohlendioxid-Speicherung (CCS) und der -Nutzung (CCU) stellen einen entscheidenden Faktor zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung dar.
In diesem Zusammenhang hat der Bundestag am 27. September 2024 in erster Lesung über die Novellierung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) beraten, durch die eine wesentliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für CCS- und CCU-Technologien in Deutschland erreicht werden soll. Die genannten Technologien sind von grundlegender Bedeutung für die Reduktion von Treibhausgasemissionen, insbesondere in schwer zu dekarbonisierenden Industrieprozessen.
Was sind CCS und CCU?
Carbon Capture and Storage (CCS) bezeichnet die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO₂) in geologischen Formationen. Carbon Capture and Utilization (CCU) hingegen beschreibt die Nutzung von abgeschiedenem CO₂ für industrielle Prozesse. Beide Technologien verhindern die Emission von Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre und tragen somit zur Reduktion der Treibhausgase bei. Ein erfolgreiches Beispiel für CCS ist Norwegen, wo seit 1996 mehr als 19 Millionen Tonnen CO₂ sicher unter der Nordsee gespeichert wurden.
Bedeutung für die Industrie
Im Jahr 2023 verursachte die deutsche Industrie etwa 144 Millionen Tonnen CO₂ und ist damit der zweitgrößte Emittent des Landes. Insbesondere für die Stahl-, Chemie-, Zement- und Kalkindustrie sowie die Glas- und Keramikherstellung sind CCS und CCU von essenzieller Bedeutung, um die Emissionen aus den Produktionsprozessen (sog. Prozessemissionen) zu reduzieren. Emissionen dieser Art entstehen beispielsweise im Rahmen der Zementproduktion, wo CO₂ als Nebenprodukt freigesetzt wird, wenn Kalkstein zu Branntkalk verarbeitet wird. Mit der CCS/CCU-Technik sollen gerade die derzeit schwer oder anderweitig technisch nicht vermeidbaren Emissionen adressiert werden. Auch für Industrien, bei denen Technologien zur Emissionsminderung noch nicht vorhanden sind oder der Umstieg auf grünen Wasserstoff und die Elektrifizierung der Produktionsprozesse aktuell nicht wirtschaftlich ist, bieten CCS und CCU übergangsweise eine Lösung.
Wie funktioniert die CO2-Abscheidung?
Die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid erfolgt mittels unterschiedlicher Verfahren. Das Post-Combustion-Verfahren ermöglicht die Filterung von CO₂ aus Abgasen, beispielsweise in Zementwerken. Beim Oxyfuel-Verfahren hingegen werden CO₂-reiche Gasgemische, im Wesentlichen bestehend aus Kohlendioxid und Wasserdampf, durch Verbrennung mit reinem Sauerstoff erzeugt. Der Wasserdampf wird anschließend auskondensiert und gasförmige Begleitstoffe abgeschieden. Beide Methoden haben sich als vielversprechend erwiesen, wobei das Oxyfuel-Verfahren eine hohe Effizienz durch die einfache Abtrennung des CO₂ bietet.
Transport und Infrastruktur für CO2
Der Transport von CO₂ kann auf unterschiedlichen Verkehrswegen erfolgen, wobei insbesondere Pipelines, LKWs, Züge und Schiffe zu nennen sind. Eine umfassende CO₂-Infrastruktur ist von wesentlicher Bedeutung, um das CO₂ von den Emissionsquellen zu den Speicher- oder Nutzungseinrichtungen zu transportieren. In Deutschland besteht bislang keine derartige Infrastruktur, da das bestehende KSpG lediglich den Transport zu Speichern umfasst. Eine Erweiterung des Gesetzes ist folglich erforderlich, um auch CCU-Projekte zu unterstützen. Dabei stellen Pipelines eine besonders effiziente Transportmöglichkeit dar, da sie große Mengen CO₂ kontinuierlich befördern können. Der Bau eines Leitungsnetzes ist ein notwendiger Schritt, um den Anforderungen der Industrie gerecht zu werden und die Klimaziele zu erreichen.
Speicherung und Nutzung von CO2
Die Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO₂) erfolgt in tiefen geologischen Formationen, wie erschöpften Erdgaslagerstätten und saline Aquiferen. Diese Gesteinsschichten bieten aufgrund ihrer dichten Deckschichten sichere Bedingungen für die dauerhafte Lagerung von CO₂. CCU eröffnet ebenfalls vielversprechende Perspektiven: CO₂ kann zur Herstellung von Chemikalien wie Methanol verwendet werden, das wiederum für die Produktion von Kunststoffen dient. Auch die energetische Nutzung zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist möglich.
CCU/CCS-Hubs
Hubs stellen zentrale Orte dar, an welchen CO₂ von verschiedenen Industriebetrieben gesammelt und entweder gespeichert oder wiederverwendet wird. Der wesentliche Vorteil solcher Hubs besteht in der gemeinsamen Nutzung der Infrastruktur durch mehrere Unternehmen, beispielsweise in Form gemeinsamer Pipelines und Lagerstätten. Derzeit existieren global etwa 15 solcher Hubs, wobei der Großteil davon in Europa und Nordamerika zu finden ist. Es wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 die Anzahl der Hubs auf bis zu 700 ansteigen muss, um die CO2-Emissionen signifikant zu reduzieren.
Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Technologie ist das Porthos-Projekt in den Niederlanden, bei dem CO₂ aus dem Hafen von Rotterdam in leeren Gasfeldern unter der Nordsee gespeichert wird. Die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur erlaubt einen beschleunigten Ausbau, da erste Carbon Capture, Utilization and Storage (CCUS-)Hubs bis 2030 bereits 5–10 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr speichern sollen, mit Potenzial für weiteres Wachstum. Des Weiteren führt die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur zu einer Reduktion der Bau- und Betriebskosten sowie der Investitionsrisiken, während die Wahrscheinlichkeit staatlicher Unterstützung steigt. Vorreiterländer wie Großbritannien, Norwegen und die Niederlande haben bereits politische Anreize zur Förderung von CCUS geschaffen. Allerdings erfordert die Zusammenarbeit zahlreicher Interessengruppen eine sorgfältige Kommunikation, um die Komplexität zu bewältigen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die gesetzliche Grundlage für den leitungsgebundenen Transport und die Speicherung von CO₂ bildet seit 2012 das KSpG. Carbon Capture and Utilization (CCU) schließt das Gesetz in seiner bisherigen Fassung jedoch aus. Diese Lücke soll mit der anstehenden Novellierung geschlossen werden, um die rechtliche Sicherheit für CCU-Projekte zu erhöhen. Die Bundesregierung hat im August 2024 Eckpunkte einer nationalen Carbon-Management-Strategie beschlossen, welche die gezielte Förderung von CCS- und CCU-Technologien in emissionsintensiven Branchen vorsieht. Erstmalig soll lt. dem Eckpunktepapier zudem die unterirdische CO2-Speicherung in größerem Umfang in der deutschen Nordsee erlaubt werden. Zudem soll jedes Bundesland mittels „Opt-in“ die Möglichkeit erhalten, Onshore-Speicherungen in den jeweiligen Landesgebieten zu beschließen.
Internationale Vorbilder und nationale Projekte
Im Rahmen der internationalen Klimapolitik dienen Projekte, wie die unter der Nordsee durchgeführte Speicherung von CO₂ in großem Maßstab, als Vorbild. Norwegen hat mit diesem Projekt nachgewiesen, dass eine großflächige CO₂-Speicherung technisch realisierbar ist. Auch in Deutschland ist die Inbetriebnahme einer CCU-Anlage im großtechnischen Maßstab ab 2025 vorgesehen.
Ausblick
Die Abscheidung und Speicherung / Nutzung von Kohlenstoff könnte zu einem wichtigen Puzzleteil für die deutsche Energiewende werden. Denn nicht jede Industrie lässt sich durch grünen Strom dekarbonisieren und nicht jeder Sektor eignet sich für den Einsatz von Wasserstoff. Hier werden CCS und CCU immer interessanter – und spätestens bei einem Anstieg der CO2-Zertifikatspreise zu einer ernstzunehmenden Alternative.
Die Novellierung des KSpG sowie der Ausbau einer CO₂-Infrastruktur stellen notwendige Schritte zur Erreichung eines geregelten Hochlaufs von CCS und CCU dar. Durch die Schaffung klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen sowie die Implementierung gezielter Förderprogramme, kann die CCS- und CCU-Technologie effektiv zur Dekarbonisierung der Industrie beitragen. Obwohl der Prozess der CO2-Abscheidung, des Transports und der Speicherung energieintensiv und kostenaufwendig ist, bleibt er für bestimmte Branchen wie die Zement- und Kalkproduktion relevant.